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ETF Portfolio: Marktkapitalisierung vs. BIP-Gewichtung – Was ist die bessere Anlage?


Bei der Konstruktion eines globalen ETF-Portfolios stehen Anleger vor einer wichtigen Entscheidungsfrage: Soll das Portfolio nach Marktkapitalisierung oder nach Bruttoinlandsprodukt (BIP) gewichtet werden? Beide Ansätze haben unterschiedliche Auswirkungen auf Volatilität, Rendite und Diversifikation.

Das gängigere von beiden ist nach Marktkapitalisierung, da es auch am einfachsten nachzubilden ist.


Die Grundkonzepte im Überblick

Marktkapitalisierungs-Gewichtung bildet das investierbare Anlageuniversum ab, indem Länder und Unternehmen entsprechend ihrer Börsenwerte gewichtet werden. Die USA dominieren mit etwa 70% des MSCI World Index, da amerikanische Unternehmen die höchsten Marktbewertungen aufweisen.​

BIP-Gewichtung orientiert sich hingegen an der wirtschaftlichen Bedeutung der Länder, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Dabei erhalten Schwellenländer ein deutlich höheres Gewicht (etwa 39-40% gegenüber 12% bei Marktkapitalisierung), während die USA auf rund 48% reduziert werden.​


Rendite im Vergleich: BIP-Gewichtung historisch vorne

Die historische Performance zeigt einen Vorteil für BIP-gewichtete Portfolios. In den letzten 10 Jahren erzielte der MSCI ACWI GDP Weighted Index eine durchschnittliche jährliche Rendite von 10,46%, während der marktkapitalisierungs-gewichtete MSCI ACWI nur 12,34% erreichte.​


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Vergleich der jährlichen Performance von BIP-gewichteten und Marktkapitalisierungs-gewichteten ETF-Portfolios von 2011 bis 2024

In 10 von 14 Jahren zwischen 2011 und 2024 übertraf die Marktkapitalisierungs-Gewichtung die BIP-Gewichtung. Besonders stark war die Outperformance in den Jahren 2013, 2023 und 2024. Seit dem Jahr 2000 liegt die langfristige annualisierte Rendite bei 6,51% (BIP-gewichtet) gegenüber 6,91% (Marktkapitalisierung).​


Volatilität: Geringfügig höheres Risiko bei BIP-Gewichtung

Bei der Volatilität zeigen sich nur marginale Unterschiede. Die annualisierte Standardabweichung seit 2000 beträgt 15,17% für BIP-gewichtete Portfolios gegenüber 14,78% für marktkapitalisierungs-gewichtete Portfolios. Der Maximum Drawdown während der Finanzkrise 2007-2009 lag bei -60,38% (BIP) im Vergleich zu -58,06% (Marktkapitalisierung).​

Die höhere Volatilität erklärt sich durch die stärkere Gewichtung von Schwellenländern, die generell größere Kursschwankungen aufweisen. Diese Märkte zeigen zwar höheres Wachstumspotenzial, bringen aber auch politische und wirtschaftliche Instabilitäten mit sich.​


Sharpe Ratio: Risiko-adjustierte Rendite spricht für Marktkapitalisierung

Bei der Sharpe Ratio, die Rendite im Verhältnis zum eingegangenen Risiko misst, hat die Marktkapitalisierungs-Gewichtung mit 0,38 leicht die Nase vorn gegenüber 0,34 bei BIP-Gewichtung (seit 2000). Dies bedeutet, dass die höhere Rendite der BIP-Gewichtung mit einem überproportional höheren Risiko erkauft wurde.​


Praktische Nachteile der BIP-Gewichtung

Mehrere praktische Herausforderungen sprechen gegen eine BIP-Gewichtung:

Höhere Kosten: Die BIP-Gewichtung erfordert deutlich häufigeres Rebalancing. Der jährliche Turnover liegt bei 7,48% gegenüber nur 2,51% bei Marktkapitalisierung. Dies führt zu höheren Transaktionskosten und potenziell höheren Steuerlasten.​

Mangelnde Verfügbarkeit: In Deutschland und Europa gibt es keine reinen BIP-gewichteten Welt-ETFs. Der MSCI ACWI GDP Weighted Index kann nicht direkt über einen ETF abgebildet werden. Anleger müssen das Portfolio manuell mit mehreren Regional-ETFs nachbilden, was zusätzliche Komplexität und Kosten verursacht.​

Klumpenrisiken: Die hohe China-Gewichtung von 18,7% (gegenüber 3,1% bei Marktkapitalisierung) stellt ein erhebliches Konzentrationsrisiko dar. Vier der Top-10-Holdings im BIP-gewichteten Index sind chinesische Unternehmen.​

Kein Marktpreissignal: BIP-Gewichtung ignoriert die in Marktpreisen enthaltenen Informationen. Marktkapitalisierung reflektiert die aggregierten Erwartungen aller Marktteilnehmer in Echtzeit, während BIP-Daten verzögert und oft revidiert werden.​


Länderdiversifikation: Unterschiedliche Philosophien

Die Länderallokation unterscheidet sich fundamental:

Land/Region

Marktkapitalisierung

BIP-Gewichtet

USA

~70%

~48%

China

3,1%

18,7%

Deutschland

2,3%

7-8%

Japan

~7%

~10%

Schwellenländer gesamt

12%

~39%

Die BIP-Gewichtung führt zu einer realitätsnäheren Abbildung der globalen Wirtschaftsleistung, während Marktkapitalisierung die investierbaren Opportunitäten und Liquidität besser widerspiegelt.​


Fazit: Welcher Ansatz ist besser?

Für die meisten Anleger ist die Marktkapitalisierungs-Gewichtung die bessere Wahl:

  • Höhere Effizienz: Niedrigerer Turnover bedeutet geringere Kosten und bessere Steuereffizienz​

  • Einfache Umsetzung: Breite ETF-Verfügbarkeit mit niedrigen Kosten (TER oft unter 0,2%)​

  • Selbstrebalancierend: Keine manuelle Anpassung erforderlich​

  • Besseres Risiko-Rendite-Profil: Höhere Sharpe Ratio langfristig​

  • Liquidität: Fokus auf tatsächlich investierbare Unternehmen​

Die BIP-Gewichtung kann interessant sein für:

  • Anleger, die bewusst höheres Schwellenländer-, Europa- oder Japan-Exposure wünschen​

  • Langfristige Investoren mit hoher Risikotoleranz​

  • Überzeugung vom künftigen Aufholpotenzial der Schwellenländer​

Allerdings sollten Anleger bedenken, dass eine stärkere Schwellenländer-, Europa-, Japan-Allokation, auch gezielt über Emerging Markets ETFs ergänzt werden kann, ohne die Komplexität und Kosten einer vollständigen BIP-Gewichtung in Kauf nehmen zu müssen.​


Praktische Empfehlung

Ein pragmatischer Mittelweg könnte ein modifiziertes Portfolio sein: Basis-Investment in einen kostengünstigen FTSE All World, MSCI ACWI oder MSCI World ETF (Marktkapitalisierung) mit gezielter Beimischung von Schwellenländer-, Europa-, Japan-ETFs, je nach persönlicher Risikobereitschaft und Überzeugung – Dies kombiniert die Effizienz der Marktkapitalisierungs-Gewichtung mit einer bewussteren Diversifikation.​

Die Beimischung sollte jedoch 10-20 % nicht übersteigen.




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